Wie ich mir von einem Stück eine musikalische Vorstellung erarbeite
Allemande
Hier stelle ich eine komplette Übung vor, die ich für das Einstudieren dieses Stückes auch verwenden würde. Ich gehe beim Üben davon aus, dass meine Finger und Arme, mein Körper, gerne das tut, was mein Ohr, meine musikalische Vorstellung verlangt. Nun ist es am Anfang so, dass mein Ohr noch gar keine Vorstellung von dem Stück hat. Um die zu bekommen, nehme ich hier eine Übung mit Generalbass, dann weiß ich danach vielleicht etwas mehr über die Harmonien, den Takt und die Schwerpunkte im Takt, die Metrik; ich spiele eine weitere Übung, in der ich die Melodie vereinfache, um die Choraltöne von den Verzierungen zu unterscheiden, und um nicht alles gleichzeitig lernen zu müssen; ich vereinfache den Klaviersatz auch vertikal, spiele nur mit einer Hand, lasse die mittlere Stimme weg und höre zu.
Übung 1 zur Allemande, Takt 1 und 2
Ich empfehle dir, die anderen Abschnitte auch so zu üben. Überlege dir einen bezifferten Bass, spiele Harmonien dazu, vereinfache die Melodie, trenne die Hände, wiederhole kleine Einheiten. Takt 15 der Übung 1 dient dazu, deinem Ohr etwas mit beiden Händen vorzuspielen, was die linke Hand danach allein nachspielt.
Die einzelnen Abschnitte dieser Übung kannst du auch in anderer Reihenfolge spielen, um zum Beispiel Klänge oder Tempi zu vergleichen.
Welche Zählzeiten haben welches Gewicht?
Hier noch ein zweites Beispiel zum besseren Verständnis, selbige Allemande Takt 17 und 18:
Übung 2 zur Allemande, Takt 17 und 18
Ich mache mir keine Gedanken über die Anschlüsse der einzelnen Übe-Abschnitte aneinander. Das kann ich ruhig später üben. Im Zweifel lasse ich übergebundene Töne aus, und wenn eine Melodie gerade in meinem Abschnitt zu Ende geht, gehört sie für mich zum Abschnitt davor und ich übe sie hier nicht. Ich versuche, es einfach zu lassen.
J.S.Bach, Invention a-moll; Franz Liszt, Das Wandern
Wie wir in „Sprünge“ gesehen haben, sind einfache Lagenwechsel intuitiv spielbar. Voraussetzung dafür ist, dass die Hand weiß, woher sie kommt und wohin sie geht, also welche Lage sie vorher und hinterher hat, dass dein Ohr weiß was es hören möchte, und dass die Zeit eingeteilt ist.
Beim Einstudieren ist es vorteilhaft, gleichzeitig auftretende Schwierigkeiten zu erkennen und dies dann jede für sich zu üben. Es ist vorteilhaft, zu vereinfachen.
Wenn du Passagen, in denen ein Lagenwechsel vorkommt, zunächst in derselben Lage übst, ist das eine solche Vereinfachung. Dein Ohr lernt, was es hören möchte, die Hand spürt die Lage vor und nach dem Wechsel, und du kannst ein Tempo wählen und halten. Hier einige beispielhafte Übungen.
Übung für J.S.Bach, Invention a-moll, Takt 13/14 linke Hand
Übung für J.S.Bach, Präludium G-Dur linke Hand
Übung Lagenwechsel für F. Liszt, Das Wandern, rechte Hand
Spiele die Übungen im Tempo und im Takt, die Zeiteinteilung ist nötig für die Bewegungen und für das musikalische Ohr.
Eine weitere Vereinfachung ist hier, dass wir nur jeweils eine Hand üben, dass wir langsam üben, und dass wir Noten weglassen.