Kombination zweier Anschlagsarten (2)

Maurice Ravel, Pavane pour une infante défunte

Sinn dieser Übung ist es, in einer Hand gleichzeitig einen Melodieton und einen Begleitakkord zu spielen. Wir spielen den Melodieton in der rechten Hand durch Bewegung des 5. Fingers, und zwar mit dem Hypothenar-Muskel. Die Begleitung spielen wir mit einem besonderen Akkordanschlag, wir bewegen dazu den Arm und die Hand, dazu gleich mehr.

Ebenso wichtig wie zu wissen, was du genau bewegst, ist, dass du eine Vorstellung davon hast, was du genau hören möchtest. So gehen wir jetzt vor: wir stellen den Klang her, den wir hören möchten, und danach versuchen wir diesen Klang zu spielen mit den oben genannten beiden Anschlagsarten.

Herstellen des Klanges – Melodie

Du nimmst den Zeigefinger und den Daumen der rechten Hand an der Spitze zusammen, ähnlich wie beim Schreiben, und bewegst beide in einer konstanten Geschwindigkeit nach unten. Ohne die Geschwindigkeit zu verändern, ohne ein Abbremsen oder Stoppen beim Berühren der Taste führst du die Bewegung fort bis du den Tastengrund erreichst. Probiere verschiedene Geschwindigkeiten aus. Nimm vorher Pedal, so hörst du die Klänge und die Lautstärken besser. Suche nach dem besten Ton für die Melodie und versuche, ihn zu wiederholen. Versuche ihn dann mit dem 5. Finger zu spielen. Bewege den 5. Finger mit dem Hypothenarmuskel.

Übung für Melodietöne mit dem 5. Finger

Herstellen des Klanges – Akkord

Mache rechts eine lockere Faust und nimm nur den Daumen und den 2. Finger heraus, der 2. Finger ist leicht gekrümmt. Links ebenso, hier berührst du mit der Spitze des 2. Fingers die Daumenspitze. Lege in dieser Haltung die Finger auf die Tasten. Spiele die Akkorde, indem du die Tasten auf und ab in der gleichen, sehr langsamen Geschwindigkeit bewegst.

Herstellen des Klanges für Akkorde

Die Finger verlieren dabei nicht den Kontakt zur Taste, sie berühren die Taste auch beim Hochgehen. Die spezielle Haltung der Finger empfehle ich, weil mir manchmal Pianisten begegnen, die zum Akkordspiel (nur) ihre Finger bewegen. Das ist natürlich auch möglich, aber hier möchte ich, dass die Bewegung aus Hand und Arm kommt.

Achte darauf, dass du aufwärts wie abwärts dasselbe Tempo nimmst. Fülle die Zeit aus, warte weder oben zwischen zwei Akkorden noch unten nach dem Auslösen der Hämmer. Wiege die Tasten.

Jetzt hast du hoffentlich eine Vorstellung davon, wie sich deine Akkorde anhören könnten. Versuche sie jetzt, mit der rechten Hand alleine zu spielen. Öffen die Hand dafür, aber spiele die Akkorde auf die gleiche Weise wie vorher.

Tasten wiegen

Du benutzt jetzt diese eben beschriebene Akkord-Technik des Tasten-Wiegens. Spiele zwischendurch, um den Klang zu vergleichen, den vorigen Fingersatz im Wechsel mit dem Fingersatz für die rechte Hand allein.

Vergleiche den Klang und die Bewegung

Kombination

Es ist vor allem anfangs überhaupt nicht leicht, das oben gesagte gleichzeitig an einem konkreten Musikstück anzuwenden. Daher versuche ich, dieses alles gut vorzubereiten, damit die Chance größer ist, dass es gelingt. Hier eine mögliche Übung mit dem Original am Schluss:

Übung für Melodie und Begleitung an einem konkreten Beispiel
(Maurice Ravel, Pavane pour une infante défunte)

Musik verstehen

Bach Französische Suite G-Dur BWV 816

Wie ich mir von einem Stück eine musikalische Vorstellung erarbeite

Allemande

Hier stelle ich eine komplette Übung vor, die ich für das Einstudieren dieses Stückes auch verwenden würde. Ich gehe beim Üben davon aus, dass meine Finger und Arme, mein Körper, gerne das tut, was mein Ohr, meine musikalische Vorstellung verlangt. Nun ist es am Anfang so, dass mein Ohr noch gar keine Vorstellung von dem Stück hat. Um die zu bekommen, nehme ich hier eine Übung mit Generalbass, dann weiß ich danach vielleicht etwas mehr über die Harmonien, den Takt und die Schwerpunkte im Takt, die Metrik; ich spiele eine weitere Übung, in der ich die Melodie vereinfache, um die Choraltöne von den Verzierungen zu unterscheiden, und um nicht alles gleichzeitig lernen zu müssen; ich vereinfache den Klaviersatz auch vertikal, spiele nur mit einer Hand, lasse die mittlere Stimme weg und höre zu.

Übung 1 zur Allemande, Takt 1 und 2

Ich empfehle dir, die anderen Abschnitte auch so zu üben. Überlege dir einen bezifferten Bass, spiele Harmonien dazu, vereinfache die Melodie, trenne die Hände, wiederhole kleine Einheiten. Takt 15 der Übung 1 dient dazu, deinem Ohr etwas mit beiden Händen vorzuspielen, was die linke Hand danach allein nachspielt.

Die einzelnen Abschnitte dieser Übung kannst du auch in anderer Reihenfolge spielen, um zum Beispiel Klänge oder Tempi zu vergleichen.

Welche Zählzeiten haben welches Gewicht?

Hier noch ein zweites Beispiel zum besseren Verständnis, selbige Allemande Takt 17 und 18:

Übung 2 zur Allemande, Takt 17 und 18

Ich mache mir keine Gedanken über die Anschlüsse der einzelnen Übe-Abschnitte aneinander. Das kann ich ruhig später üben. Im Zweifel lasse ich übergebundene Töne aus, und wenn eine Melodie gerade in meinem Abschnitt zu Ende geht, gehört sie für mich zum Abschnitt davor und ich übe sie hier nicht. Ich versuche, es einfach zu lassen.

Lagen zusammenfassen

J.S.Bach, Invention a-moll; Franz Liszt, Das Wandern

Wie wir in „Sprünge“ gesehen haben, sind einfache Lagenwechsel intuitiv spielbar. Voraussetzung dafür ist, dass die Hand weiß, woher sie kommt und wohin sie geht, also welche Lage sie vorher und hinterher hat, dass dein Ohr weiß was es hören möchte, und dass die Zeit eingeteilt ist.

Beim Einstudieren ist es vorteilhaft, gleichzeitig auftretende Schwierigkeiten zu erkennen und dies dann jede für sich zu üben. Es ist vorteilhaft, zu vereinfachen.

Wenn du Passagen, in denen ein Lagenwechsel vorkommt, zunächst in derselben Lage übst, ist das eine solche Vereinfachung. Dein Ohr lernt, was es hören möchte, die Hand spürt die Lage vor und nach dem Wechsel, und du kannst ein Tempo wählen und halten. Hier einige beispielhafte Übungen.

Übung für J.S.Bach, Invention a-moll, Takt 13/14 linke Hand
Übung für J.S.Bach, Präludium G-Dur linke Hand
Übung Lagenwechsel für F. Liszt, Das Wandern, rechte Hand

Spiele die Übungen im Tempo und im Takt, die Zeiteinteilung ist nötig für die Bewegungen und für das musikalische Ohr.

Eine weitere Vereinfachung ist hier, dass wir nur jeweils eine Hand üben, dass wir langsam üben, und dass wir Noten weglassen.

Kombination zweier Anschlagsarten (1)

a) Fingeranschlag aus dem Fingergrundgelenk. Der Finger ist rund, das Tempo auf- wie abwärts ist gleich und gleichmäßig, und die Bewegung nutzt die Zeit aus, also mache weder oben noch unten eine Pause und bleibe in Bewegung. Spiele mit dem 2. Finger 4tel Noten und stelle dir dazu Achtelnoten vor, in denen du die Bewegung ausführst, oder zähle 1 + 2 + 3 + 4 +.

Fingeranschlag a)

Hebe den Finger dabei gut hoch (du kannst am Anfang etwas übertreiben) und halte ihn weiterhin rund. Spiele singende Töne mit Pedal.

b) Fingeranschlag mit Tastenkontakt, auch aus dem Fingergrundgelenk. Die Finger liegen auf den Tasten, rund, du spürst die Tasten. Spiele mit jedem Finger den Ton direkt, ohne ihn vorher zu heben, und lass die Taste unter dem Finger gleich wieder hochkommen. Wenn du den Auslösepunkt gut erwischst, spürst du, wie die Taste deinen Finger hebt. Spiele perlende Töne, sehr locker und entspannt, leggiero, im Pedal.

Kontakt-Anschlag, Tasten wiegen

Möglichkeiten

Die Kombination dieser beiden Anschlagsarten a) und b) können wir zu verschiedenen Zwecken gebrauchen. Wir können Struktur in Passagen herstellen: ich übe eine 16tel Kette und spiele z.B. die 4tel Bewegung mit Anschlag a), die anderen 16tel mit b) (Beispiel 3). Das brauche ich auch oft für die 8tel Struktur innerhalb von 16tel Passagen.

Beispiel 3 Struktur

Oder wir können die Unabhängigkeit der Finger damit üben: bleiben wir bei 16tel Noten. Einer der Finger nutzt die Zeit aus, sich in 4teln zu bewegen mit Anschlag a), die anderen Finger spielen in der Zeit ihre 16tel Noten mit Anschlag b). Nimm Pedal für die 4tel Noten.

Beispiel 4 Unabhängigkeit

Dadurch wird der eine Finger unabhängig von den anderen. Er bewegt sich in seinem Tempo für die 4tel Noten, während die anderen Finger spielen. Wenn du bedenkst, dass du ohne Übung einen einzelnen Ton mit einem Finger ungefähr 6 mal pro Sekunde spielen kannst, und unabhängig davon spielen 3 oder 4 andere Finger noch dazwischen, kannst du dir das Potential dieser Übung vorstellen.