Sprünge

Bei der Einstudierung eines Chopin-Walzers stellte ich nach einiger Zeit (3 Wochen später) fest, dass es so, wie ich die linke Hand mit dieser typischen Walzerbegleitung geübt hatte, nicht funktioniert hat. Das hatte mindestens zwei Gründe:

a) Ich hatte nicht darauf geachtet, dass die linke Hand beim Spielen des Basstones zufällig mal hier mal dort lag, so dass sich mein Bewegungsgedächtnis nichts merken konnte.

b) Ich hatte irrtümlicherweise gedacht, dass ich es wie eine Maschine spielen sollte, in dem Sinne, dass die Armbewegung einfach immer hin und her geht.

Lage vervollständigen, Beispiel 1

Zu a): Damit du dir die Bewegung merken kannst, ist es hilfreich, dass du zunächst alle Einzeltöne, die in Sprungstellen oder Lagenwechseln vorkommen, durch einen Akkord vervollständigst, den du aber nur greifst, nicht spielst. Greife zu dem Basston noch eine Oktave mit dem Daumen und eine Quinte (oder Terz) mit dem zweiten Finger, wie in Beispiel 1 mit den x-Noten gekennzeichnet.

Zu b): ein einzelner Sprung ist sofort intuitiv ausführbar und muss nicht geübt werden. Mir geht es in der folgenden Übung darum, dir diese Tatsache, die du vielleicht schon vergessen hast, wieder erfahrbar zu machen. Das funktioniert, wenn andere Probleme nicht ablenken oder stören, und wenn es dir körperlich klar ist, woher du kommst und wohin du gehst. In der Natur wissen wir das alles, wenn wir über eine Pfütze springen.

Woher komme ich? Die Lage aller Finger sollte dir klar sein, das Handgelenk, der Ellenbogen, Schulter und Rücken fühlen sich gut an. Spiele so den Basston mit den stumm gegriffenen Tönen (siehe oben).

Wohin möchte ich? Spiele den Akkord schon vorher, so dass auch dein Ohr weiß, wohin die Reise geht. Auch so, dass es sich gut anfühlt.

Intuitiver Sprung, Übung

Damit auch der musikalische Zusammenhang schon vorher klar ist, spielen wir die Sprungstelle in derselben Lage, mal in der Lage des Basstones, dann in der Lage des Akkordes. Wir behalten das sehr moderate Tempo bei.

In der Übung steht genau vor dem Sprung eine Punktierung. Das ist Absicht. Das soll bewirken, dass die Bewegung intuitiv läuft.

Im letzten Takt steht der Sprung. Halte ein bei der Fermate. Hat es funktioniert? Musst du einen solchen Sprung 3 Wochen üben, damit du ihn spielen kannst?

Lagen und Fingersätze

Bach Präludium G-Dur BWV 860

Dieses Stück ist ein gutes Beispiel für barocke Fingersätze und für das pianistische Bewusstsein für die Lage der Hand.

Ich gehe davon aus, dass es für die jeweilige Spielfigur (hier die drei 16tel) gut ist, sie mit einem guten Fingersatz zu spielen, und dass es also nicht so wichtig ist, wie die Verbindung zur nächsten Spielfigur aussieht. Das führt zu diesem Fingersatz:

Beispiel 1

Was daran überraschend sein mag, ist, dass hier der Daumen gelegentlich gleich wieder spielt, und dass das 3. 16tel der rechten Hand d hier mit dem 4. Finger gespielt wird. Das ist nur konsequent – die erste Spielfigur g-h-d lässt sich so viel besser spielen, und der Lagenwechsel ist kein Problem. Warum ist er eigentlich kein Problem? Darauf gehe ich in dem Artikel Sprünge und Lagenwechsel näher ein, dort ist auch ein Übungsbeispiel, dass euch hoffentlich gleich gelingt! Nur soviel hier: die Lagenwechsel in diesem Präludium sind alle spielbar, und die einzelne Spielfigur profitiert davon.

Beispiel 2

Ein weiteres Beispiel für das Konzept „Spielfigur bestimmt den Fingersatz“. Die Figur in der rechten Hand, Takt 13, d-c-h wird mit 3-2-1 gespielt. Diesen Fingersatz nimmst du sooft die Figur wieder auftritt.

Ich weise darauf hin, dass es ein Mythos ist, dass der Daumen nicht eine schwarze Taste spielen solle. Das darf er ruhig, und er kann das auch.

Noch zwei Beispiele für die linke Hand:

Beispiel 3

Ich nehme wieder bewusst den Fingersatz 3-2-1 für h-c-d, Takt 16 linke Hand. So ist es ganz natürlich, dass die Figur gleich klingt, den gleichen Mikro-Rhythmus hat wie die Figur direkt davor, g-a-h. Wieder ist es kein Problem, dass der Daumen gleich danach wieder mit der Achtelnote e dran ist. Das zweite Beispiel schließt gleich an: die Figur c-a-fis-d linke Hand Takt 16. Ich interpretiere die Melodie hier so, dass die drei 16tel der Auftakt zu der 8tel Note sind. Daher möchte ich das gerne in einer Lage spielen und ich möchte für diese Figur wieder den besten Fingersatz nehmen.

Sitzhöhe und Haltung

Die Sitzhöhe hängt mit deiner Spielweise zusammen, aber ich empfehle grundsätzlich, sich so hinzusetzen, dass die Ellbogen ungefähr auf Tastenhöhe sind. Solltest du es gewohnt sein, sehr viel höher zu sitzen, probiere bitte mal aus, wie es ist, wenn du so sitzt, dass die Ellenbogen deutlich unterhalb der Tastatur sind. Und umgekehrt.

Wenn ein neuer Student oder Studentin zu mir kommt, fangen wir oft mit „Klavier-Yoga“ an – wir drehen an allen Stellschrauben, die die Haltung betreffen (alles auch während du spielst):

  • stelle die Sitzhöhe so ein, dass die Tastatur auf Ellbogenhöhe ist, dann spiele auch mit deutlich tieferem und höherem Sitz.
  • ziehe die Schultern sehr hoch und lasse sie wieder herunter.
  • hebe die Ellenbogen und lasse sie wieder hängen.
  • hebe und senke das Handgelenk 1)
  • hebe und senke die Fingergrundgelenke 2)
  • kippe die Hand nach außen und nach innen, danach nimm die mittlere Haltung davon, so dass der Handrücken ungefähr gerade liegt.

zu 1) und 2) ruhig mal übertreiben! Probiere mal, die Finger lang und flach auf die Tastatur zu legen, und dann das Handgelenk hoch oder tief zu halten.

Fingersätze für 4stimmige Akkorde

Die Fingersätze schreibe ich hier für die rechte Hand, sie gelten für die linke Hand auch, wenn man die Akkorde spiegelt. Der Fingersatz für c-f-a-c 1-2-4-5 gilt also auch für den spiegelverkehrten Akkord e-g-h-e (5-4-2-1) links.

Für die rechte Hand haben Dur- oder Mollakkorde der 1. Lage (manche sagen dazu auch Grundstellung) und alle übermäßigen Akkorde den Fingersatz 1-2-3-5. Alle Sextakkorde, Dur oder Moll (z.B. fis-a-d-fis) werden mit 1-2-4-5 gegriffen.

Beispiel 1

Die Grenze zwischen 1-2-3-5 und 1-2-4-5 liegt für die rechte Hand in den Quartsextakkorden in Moll. Wenn der 3. Ton eine schwarze Taste ist, nimmt man den 3. Finger, auf weißer Taste den 4. Finger, also 1-2-4-5 wie in Beispiel 2 es-as-ces-es oder a-d-f-a, 1-2-3-5- wie in Beispiel 2 b-es-ges-b und d-g-b-d. Für die linke Hand: Des-Dur 1. Lage des-f-as-des spiele ich mit 5-4-2-1, D-Dur 1. Lage d-fis-a-d mit 5-3-2-1. Das ist für einige meiner Studenten erstmal neu und gewöhnungsbedürftig, ich empfehle, es mal eine Zeit zu probieren.

Beispiel 2

Es gibt natürlich Ausnahmen. Bei Akkordpassagen nehme ich lieber dieselben Finger statt zu wechseln. Bei Akkorden, die weiter entfernt von der Mitte des Klaviers liegen, liegt die Hand schräger zur Tastatur, so dass du überlegen könntest, den Fingersatz anzupassen.

Wenn du Zweifel hast, welchen Fingersatz du nehmen solltest, nimm eher Fingersätze, in denen die drei mittleren Finger zusammenliegen. Und probiere einfach aus, was für dich besser ist. Mach etwas Klavier-Yoga.